Entwicklung ist eine knappe Ressource. Entwicklungskompetenzen lassen sich nicht so ohne weiteres in der geforderten Qualität und Quantität aufbauen: Verglichen mit anderen funktionalen Bereichen ist der Prozess langwierig und die Ressource selbst zudem teuer. Allein schon aus diesem Grund stehen produzierende Unternehmen in der Verpflichtung, mit der Engpassressource Entwicklung besonders weitsichtig und verantwortungsbewusst umzugehen.
Verschärfend kommt hinzu: Die Anforderungen an die Entwicklung und der Bedarf an zusätzlichen Entwicklungskapazitäten werden weiter zunehmen. Nahezu alle wichtigen Trends, auf die Unternehmen der produzierenden Industrie heute die richtigen Antworten finden müssen, wirken direkt oder indirekt in die Entwicklungsbereiche hinein:
- Die fortschreitende Digitalisierung ermöglicht es, Produkte hocheffizient auf die individuellsten Kundenbedürfnisse zuzuschneiden. Für die Entwicklung bedeutet dies, zum Teil völlig neue Produktinnovationen und Geschäftsmodelle kreieren zu müssen.
- Kundenwünsche ändern sich in immer kürzeren Zyklen. Für die Entwicklung hat dies zur Konsequenz, immer schneller und in ihren Prozessen und ihrer Arbeitsweise flexibler werden zu müssen.
- Die Absatzmärkte verschieben sich mehr und mehr nach Asien. Von der stark steigenden Konsumnachfrage aus den neuen asiatischen Wachstumsregionen wird allerdings nur profitieren können, wer mit seinen Designs den speziellen Kundengeschmack auf diesen Märkten trifft. Auch dadurch wird die Entwicklung zusätzlich gefordert.
- Neue Technologien wie Additive Manufacturing können helfen, die Time to Market deutlich zu verkürzen. Dazu müssten aber auch im R&D-Bereich erst die erforderlichen AM-Kompetenzen aufgebaut oder entsprechende Kooperationen eingegangen werden.
Die Notwendigkeit, in immer kürzeren Zyklen eine immer größere Vielfalt an Produktvarianten hervorbringen zu müssen, wird die Komplexität in der Entwicklung weiter ansteigen lassen und den Druck auf die R&D-Bereiche noch verstärken. Jeder R&D-Verantwortliche hat sich daher intensiv mit zwei Fragen auseinanderzusetzen:
- Worauf soll der Fokus der Entwicklungstätigkeit gelegt werden?
- Was ist zu tun, um so effizient wie nur möglich zu entwickeln?
Die erste Frage zielt auf die Effektivität: Die Unternehmen müssen ihre Ausrichtung verbindlich festlegen und aus dem Spektrum der Optionen richtig selektieren. Eine komplette Wunschliste abzuarbeiten wird nicht funktionieren, dafür reichen die Ressourcen in der Entwicklung nicht aus. Richtig selektieren beinhaltet auch, bewusst zu entscheiden, was nicht entwickelt wird. Wenn klar ist, in welche Richtung man marschieren will, kommt es darauf an, diesen Weg so effizient wie nur möglich zu bewältigen.
Mit den Beiträgen dieser Ausgabe der TMG INSIGHTS greifen wir einige der drängendsten Herausforderungen auf, vor denen Entwicklungsverantwortliche in Unternehmen der produzierenden Industrie nach unserer Einschätzung aktuell stehen.
Die Themen Effektivität und Effizienz diskutieren wir im Rahmen dieser Ausgabe getrennt nach „Produkt“ und „Prozess“: Effektivität über die Themen „Plattformen“ (Seite 33 bis 37) und „R&D-Performance-Management“ (Seite 38 bis 45), das Effizienzthema über die Beiträge zur „Produktwertoptimierung“ (Seite 46 bis 50) und zum „Schlanken PEP“ (Seite 14 bis 18).
Von den zahlreichen – überwiegend technologisch getriebenen – Chancen und Anforderungen gehen wir in eigenen Beiträgen auf das Thema „Additive Manufacturing“ ein (Seite 63 bis 67) sowie auf das Reifegradmodell A-SPICE (Seite 58 bis 62), mit dem sich die Qualität der Softwareentwicklung im Automotive-Umfeld bewerten und verbessern lässt. Welche Chancen die Digitalisierung und der Megatrend Industrie 4.0 für die R&D-Bereiche mit sich bringt, ist Thema des Beitrags „Digital Innovations & Transformations“ (Seite 52 bis 57). Übergeordnete Betrachtungen zum R&D-Managementund -Führungssystem werden weiter unten sowie im Beitrag „Lean Leadership: Schlüssel zum Erfolg im R&D-Veränderungsprozess“ (Seite 28 bis 32) aufgegriffen.
Digitalisierung und neue Geschäftsmodelle, Elektromobilität und autonomes Fahren: Die neuen Anforderungen und Spielregeln auf den nationalen wie den globalen Märkten fordern von allen Akteuren hohe Anpassungs- und Handlungsfähigkeiten: Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten zu können, wird auch für Entwicklungsorganisationen zu einer immer wichtiger werdenden Fähigkeit. Wie Unternehmen die Herausforderung einer umfassenden Transformation angehen können oder sollten, skizzieren wir am Beispiel der Elektromobilität (Seite 20 bis 26).