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On the road again?

On the road again?

Ich kann mich noch an die gute alte Zeit erinnern – keine Apps, da kein Smartphone, Papiertickets mit Magnet am Kühlschrank, als Hinweis auf die nächste und übernächste Dienstreise. Ja, das waren noch Zeiten. Rauchen war schon verboten im Flugzeug, aber mein Getränk durfte ich noch – ohne als potenzieller Terrorist verdächtigt zu werden – mit an Bord nehmen… wenn da aber keine Flugtickets am Kühlschrank hingen, wurde ich immer ein wenig nervös, Anflug von Fernweh und Reiselust hatten mich gepackt.

Zeitsprung nach 2023 – also ins Jahr 1 PC (post Corona): Die Schlangen am Security sind länger denn je, der Check-In beginnt nun schon 45 min vor Abflug (Einsteigen zwar wie immer 10 min davor, aber egal) – keiner weiß warum – alles scheint wieder unterwegs zu sein. Entgegen allen CO2-Footprint-Diskussionen scheint sich das Geschäftsleben wieder „on-the-road“ abzuspielen. Die Frage ist bloß, wieso? Haben die Geschäftsreisenden festgestellt, dass sie ihre Meilenguthaben vollends verfressen haben und man wieder mal sammeln sollte? Oder haben wir doch gemeinschaftlich das Bedürfnis erkannt, dass Gespräche in 3D, live und in Farbe noch ausreichend mehr bieten als das bequeme Teams- oder Zoom-Meeting in Jogginghose und Hemd am heimischen Küchentisch?

Gerade in der Beraterzunft leben wir naturgemäß von der Überzeugungskraft unserer Worte, sowohl verschriftlicht in Form von bunten Folien und dazu passenden, geschliffen ausformulierten kommerziellen Angeboten. Jedoch ist das gesprochene Wort in Kombination mit der Erscheinung des Beraters mit all seiner Ausdruckskraft in Mimik, Gestik und Körpersprache am Ende des Tages der Verkaufsschlager. Genauso wie der elegant geführte Small Talk mit den Kunden vor und nach dem offiziellen Termin oft zu mehr Klarheit und Transparenz bezüglich des Auftrags beiträgt, wie so manche ausführliche Videokonferenz mit (zu) vielen Teilnehmern, die alle auf ihre besondere Ausgangssituation und speziellen Bedürfnisse hinweisen und Nebelgranaten werfen. Die Hidden Agenda wird nicht im Rahmen eines Teams-Meetings herausmoderiert, das funktioniert nach wie vor am besten im direkten Gespräch, am ehesten noch unter 4 oder 6 Augen, z.B. an der Kaffeemaschine.

Neben der sozialen Komponente des persönlichen Austauschs und der vielfältigen Möglichkeiten, das eigentliche Gesprächsthema mit Begleitmusik zu unterlegen, sehe ich in der Verabredung zu physischen Terminen einen weiteren entscheidenden Vorteil: Verbindlichkeit. Der Tagesablauf wird immer hektischer und jeder kennt den klassischen Homeoffice-Tag, bei dem man innerhalb von wenigen Stunden mehrfach die virtuelle Spielwiese, Gesprächspartner, Kunden und Zeitzonen durchrotiert – oft ohne Bio-Pause und noch öfter mit kurzfristigen Absagen und/oder Terminverschiebungen. Weil man ja sowieso nicht aufwändig angereist ist und es daher ja auch kein Problem darstellt, den Termin mal schnell 5 Minuten vor Beginn um ein paar Stunden oder Tage zu verschieben. Das ist aus meiner Beobachtung heraus leider eine unangenehme Entwicklung, die sich während der allgemein verordneten Heimwerker-Zeit massiv verschlechtert hat.

Die andere Seite der Medaille ist das unverhoffte Wachstum der Unternehmen, die als Krisengewinner ihre Mitarbeiteranzahl während der Pandemie dermaßen gesteigert hatten, dass sie gar nicht mehr allen Kollegen gleichzeitig Platz in den Büros bieten können. Das heißt, bei aller Vorliebe für physische Treffen ist das Anreisen zum Projektort oft durch die physische Verfügbarkeit des Kundenprojektteams limitiert. Als Berater dann als einziger im sonst leeren Besprechungszimmer beim Kunden die Stellung zu halten, macht bei der Abrechnung der Nebenkosten auch keinen schlanken Fuß.

Wir merken schon, dass die Entscheidungen von früher und die Selbstverständlichkeit einer Dienstreise unter den neuen Randbedingungen vielschichtiger geworden sind. Nicht nur die drastisch gestiegenen Flugkosten und das damit verbundene schlechte Gewissen der Vielreisenden sollten den Denkanstoß liefern, wie wir im Sinne des Gesamtnutzens für den Kunden situativ richtig agieren. Darüber hinaus haben schon viele Kollegen die Vorteile des Bahnfahrens in Kombination mit einer immer breiter werdenden Palette an Leih-Elektroautos erkannt, damit auch die Straßenkilometer nicht negativ in unserem Fußabdruck erscheinen. Meine Empfehlung also: im Zweifel das Thema immer offen mit dem Kunden ansprechen und auch klar auf Vor- und Nachteile hinweisen. Damit wir auch bei dieser Fragestellung durch vorgelebten Change ein Umdenken bei unseren Kunden unterstützen.